Donnerstag, 29. November 2018

Rasierpinsel Kent BLK8

Kent gehört angeblich zu den besten Rasierpinselherstellern der Welt; schließlich handelt es sich bei Kent um niemanden Geringeres als einen der Hoflieferanten des britischen Königshauses. Ich teste hier den ziemlich großen Pinsel BLK8 mit schwarzem Griff. Kann er dem Ruf des Königslieferanten gerecht werden?


Kent hat seinen Firmensitz irgendwo im fernen Großbritannien. Dort wurde mein neuer Pinsel liebevoll in Seidenpapier gewickelt, gemeinsam mit einem Kärtchen in ein rotes Etui gesteckt, diesese wiederum mit einem weiteren Kärtchen versehen, das Ganze in einen Papprolle gesteckt und diese schließlich in ein Päckchen. Das Päckchen wurde einem berittenen Boten übergeben, der normalerweise das englische Königshaus versorgt. Der Bote ritt dann den langen und beschwerlichen Weg durch die englischen Hochebenen, schlug sich mit schlechtem Wetter und Banditen herum und kam irgendwann bei einer Relaisstation der Royal Mail an.

Dort las man "Germany" und kratzte sich am Kopf. Ist das nicht auf dem Festland? Dann müssen wir wohl auf die nächste Fähre warten. Diese fuhr erst ein paar Wochen später. Auch diese kämpfte sich durch den Regen und die Gischt der Nordsee, bis das Päckchen irgendwann der Deutschen Post übergeben werden konnte. Die las den Aufkleber "Air Mail" und verschiffte sodann das Päckchen per Flugzeug von Hamburg nach Frankfurt. Dort nahm es meine Briefträgerin im Empfang und legte es mir vor die Tür. Ich denke, für diesen Aufwand sind 45 Tage Wartezeit völlig in Ordnung. Und immerhin war der Pinsel gratis.


Das war er deshalb, weil mein erster Kent-Rasierpinsel nach wenigen Monaten den Geist aufgegeben hatte. Als ich bei Kent anfragte, wie ich ihn reparieren lassen könne, sagte mir die freundliche Dame dort zu, kostenlosen Ersatz zu schicken.

Ich glaube, es war mein Glück, dass mein erster Pinsel sich in zwei Teile aufgespalten hat, denn er war auch schon vorher wirklich ein Montagspinsel. Er roch bestalisch nach Dachs und Mottenkugeln und war unglaublich struppig. Die Fahnen der Dachshaare waren alles Mögliche, nur nicht zart und weich. Zudem standen sie ziemlich ungleichmäßig heraus. Ich versuchte, den Pinsel einzuarbeiten, aber es war nichts zu machen: er blieb ein echter Stuppi. Wenigstens nahm er bald den Geruch meiner Lieblingsrasiercreme an. Das ging so ein paar Monate, und dann zerlegte er sich in zwei Teile.



Das fand ich dann doch etwas enttäuschend. Ich hatte den Kent BLK8 schon einmal in der Vergangeneheit leihweise ausprobieren können und fand ihn dabei sehr gut. Dass mein eigener dann gleich den Geist aufgab, war betrüblich. Ich begann mit einigen erfolglosen Reparaturversuchen (über die ich hier berichte), aber nichts half.  Die Wiedervereinigung des Pinsels gelang nicht.

Deshalb war ich mehr als glücklich über den neu eingetroffenen Kent BLK8 aus England. Das umso mehr, als die Verpackung wirklich außerordentlich liebevoll ist.





Der neue Kent Rasierpinsel riecht leicht nach Dachs, aber nicht wirklich unangenehm. Das ist schon mal viel besser als sein Vorgänger. Früher habe dafür plädiert, einen neuen Pinsel erst einmal gründlich auszuwaschen und den Prozess des Einarbeitens zu beschleunigen, indem man ihn in Wasser hängt oder sogar einige Zeit in Seife eingeweicht stehen lässt. Ich bin inzwischen kein Freund mehr davon. Zum Einen will ich das Einarbeiten miterleben, zum Anderen finde ich die Belastung für einen neuen Pinsel zu groß. Wieso sollte er gleich in den ersten Tagen mehrere Monate altern? Nein, er ist neu, und so will ich ihn erleben.

Ich probiere ihn jüngfräulich und trocken an meiner Wange aus. Bei wirklich guten Haaren fühlt sich das schön sanft und weich an. Der neue Kent BLK8 schafft das auch tatsächlich. Ich bin beeindruckt. Wo das erste Exemplar herumgekratzt hat, ist der neue sofort liebevoll sanft, mit nur einem leicht kratzigen Unterton.


Wie allgemein zu beobachten, wird ein Pinsel nach längerer Benutzung viel aufgeplusterter, aber normalerweise auch viel sanfter. Nicht so hier: Der alte ist zwar aufgeplusterter, aber der neue ist aus der Packung heraus sanfter und eindeutig besser gebunden als der alte. Klar, bei der Benutzung riecht er etwas nach Dachs, aber so wenig, dass man ihn wirklich gleich einsetzen kann. So soll das sein bei einem Qualitätspinsel. Schließlich werden hier gleich mal knappe 200 Euros fällig.

Mein neuer Kent-Rasierpinsel war in seiner ersten Woche lang täglich im Einsatz. In Zukunft darf er sich mindestens alle zwei Tage ausruhen, aber ein neues Spielzeug muss auch zum Einsatz kommen, daher muss er im Moment täglich ran.

Der Geruch nach nassem Dachs war nach der ersten Woche vollständig verschwunden und so duftet er seitdem nach Rasiercreme. Der Schaum war bei den ersten Durchgängen naturgemäß noch etwas flach, aber er wurde von Mal zu Mal besser.

Die Spitzen dieses Rasierpinsels sind nicht superweich, sondern haben einen ganz leicht borstigen Einschlag. Das ist  aber kein Fehler, sondern gehört zu der Charakteristik dieses Rasierpinsels. Ich gehe nicht davon aus, dass er jemals so super-sanft wird wie etwa ein hochwertiger Pinsel von Mühle. Im Gegensatz zum Mühle sind die Haare in ihrer Länge auch viel fester (was Viele vermutlich als Vorteil empfinden werden).

Der Kent ist insgesamt sehr volumig: Ein Plisson mit gleichem Ringmaß wirkt im direkten Vergleich viel spitzer. Als Folge davon entsteht der Schaum beim Kent eher auf der Außenseite als beim Plisson, der sehr viel mehr Schaum im Pinselinneren vorzuweisen hat. Das ist etwas ungewohnt: Immer erwarte ich, dass noch viel mehr Schaum im Inneren ist als dann wirklich kommt, sodass ich mit dem Kent oft für den zweiten Rasurdurchgangetwas neuen Schaum aufschlagen muss. Dafür ist das Schaumvolumen außen sofort sagenhaft groß und mehr oder weniger sofort vorhanden.

Es ist erstaunlich zu sehen, wie schnell der Kent Rasierpinsel eingearbeitet war. Nach der ersten Woche war er praktich bereit: duftend, aufgeplustert und so sanft, wie er eben wird.

Ich denke, diesmal wird es was mit dem Kent-Rasierpinsel und mir. Was vielleicht auch daran liegt, dass er diesmal nicht vom Praktikanten gesteckt wurde.